Illustration Fachartikel

Die Totalprothese: Ein komplizierter Fall gelöst nach dem GERBER-Konzept

Wiedererlangen der Kaufunktion, der Gesichtsproportion und dento-oralen Ästhetik

Vittorio Capezzuto

Die Patientin

Zum Zeitpunkt der hier dargestellten prothetischen Versorgung war die Patientin Livia 65 Jahre alt (Abb. 1). Sie beklagte den schlechten Sitz ihrer Totalprothesen im Ober- und Unterkiefer, insbesondere bereitete ihr die starke Beweglichkeit der unteren Prothese Probleme. Auf Grund starker Schleimhautbeweglichkeit verursachte die Mobilität der Unterkieferprothese profunde Druckstellen im Bereich der Umschlagfalte mit teilweise akutem Dekubitus im sublingualen Bereich. Sowohl klinisch als auch radiologisch war ein deutlicher Vertikalverlust des Unterkieferknochens festzustellen. Zur prothetischen Stabilisierung erschien eine Implantatlösung mit Overdenture angemessen, die realisiert wurde. Ebenso rekonstruiert werden sollte die totale Oberkieferprothese, deren Seitenzähne starke abnutzungsbedingte Beeinträchtigungen aufwiesen und dadurch eine signifikante Absenkung der Vertikalrelation verursachten. Der Patientin wurde zur Wiederherstellung der Kaufunktion eine provisorische Sofortversorgung für den Ober- und Unterkiefer vorgeschlagen, der sie jedoch aus persönlichen Gründen nicht zustimmte. Die Rehabilitation wurde auf ihren Wunsch hin auf den Zeitpunkt nach Abschluss der Osseointegration der Implantate verschoben.

Beschreibung der prothetischen Planung

Die prothetische Planung umfasste die Anpassung der bisherigen Prothesen, die Neuausrichtung der Okklusionsebene sowie die Schleimhautkonditionierung. Im Weiteren folgte die Neuanfertigung der Totalprothesen nach der GERBER-Methode: Im Oberkiefer eine herausnehmbare schleimhautgelagerte Totalprothese, für den Unterkiefer eine Overdenture mit implantatgestütztem SEEGER-Stegsystem mit passivem Sitz. Diese Lösungen wurden gewählt, da sie sich besser an die objektiven Schwierigkeiten der zu lösenden Situation anpassen lassen. Als Material wurden PMMA für die Prothesenbasen, nanogefüllte Komposit Zähne (NFC+), eine CrCo-Legierung für den starren Retentionsteil und Nylon für die Sekundärretention verwendet.

Abb. 1: Patientin vorher

Abbildung 1
Abbildung 1A Abbildung 2
Abbildung 3 Abbildung 4
Abbildung 6

Fallbeschreibung

Nach den obligatorischen Voruntersuchungen wurden zwei Implantate nach der BRANEMARK-Methode im Kinnbereich gesetzt, wo es der Knochen volumenmässig gestattete und keine Risiken zu Lasten arteriovenöser Strukturen bestanden (Abb. 1A). Nach einem angemessenen Zeitraum zur Osseointegration wurde die prothetische Rehabilitation beider Kiefer durchgeführt. Die objektive lokale Untersuchung ergab in vertikaler Richtung eine Reduktion des Kieferknochens im Frontzahnbereich, was eindeutig auf eine insuffiziente Planung der Okklusionsebene und damit auf eine unzureichende Verteilung der Kaukraft zurückzuführen war, so wie es für das KELLY-Syndrom symptomatisch ist.

Darüber hinaus wurde während der klinischen Untersuchung ein Verlust der vertikalen Dimension durch Abnutzung der vorhandenen Kunststoffzähne festgestellt; die rein physiognomische Untersuchung ergab eine "senil wirkende" Relation zwischen Ober- und Untergesicht (Abb. 2, 3, 4, 6).

Wiederherstellung der vertikalen Relation

Für die Neuversorgung wurden die bisherigen Prothesen verwendet, die problemlos als Hilfsmittel für die Planung der neuen Prothesen genutzt werden konnten (Abb. 7). Sie wurden zur Rekonstruktion der Vertikalrelation verwendet. 

Hierfür erfolgte die Markierung zweier Referenzpunkte zur Abstandsmessung während der Ruhelage, der in der Regel zwei bis vier mm vom okklusalen Kontaktpunkt der habituellen Interkuspidationsposition entfernt liegt (Abb. 8, 9). Bei der Untersuchung zur Rekonstruktion der Okklusionsebene wurde offensichtlich, dass die aktuellen Prothesen eine deutlich disparallel zur Camperschen Ebene ausgerichtet waren. Sie ist am Kopf bilateral definiert und verläuft von der tiefsten Stelle des Nasenflügels bis zur Tragusmitte im anterolateralen Teil des äusseren Ohres (Abb. 10). Diese Parameter weichen zwar geringfügig von den am Schädelskelett definierten Referenzpunkten ab, in der täglichen Praxis hat sich diese Abweichung sowohl bei schleimhautgetragenen Totalprothesen als auch bei implantatgestützten Overdentureversorgungen als vernachlässigbare Varianz der sagittalen Richtung der Okklusion erwiesen. Die Parallelität zwischen Camperscher und Okklusionsebene weist durchschnittlich einen Abstand von ca. 34 mm auf. Zur Festlegung und Überprüfung der Parallelität wurde eine Bissgabel bzw. ein Okklusionom verwendet. Dieses Hilfsmittel veranschaulicht ausserhalb des Mundes die Neigung der Ebene, in welcher die späteren Prothesen okkludieren werden. 

Abbildung 7 Abbildung 8
Abbildung 9 Abbildung 10
Abbildung 11 Abbildung 12
Abbildung 13 Abbildung 14

Bei eingesetzter Oberkieferprothese ist die Disparallelität beider Ebenen im vorliegenden Fall eindeutig zu erkennen. Die Okklusionsebene verläuft nach hinten unten und nicht parallel zur Camperschen Ebene, d.h. nach frontal und leicht ventral. Dieser vorliegende Verlauf ist ursächlich für die Druckstellen- und Geschwürbildung, die wie hier langfristig zur Knochenatrophie führte und ein KELLY-Syndrom verursachte. Mit einer chirurgischen Pinzette liess sich bei der Patientin die damit verbundene Beweglichkeit der Schleimhaut belegen (Abb. 11, 12). Folglich musste im ersten Schritt die Parallelität zwischen Camperscher und Okklusionsebene durch Auftragen kalthärtenden Kunststoffs für provisorische Kronen und Brücken hergestellt werden. Zuvor wurden die betreffenden Flächen der vorhandenen Kunststoffzähne gereinigt und mit Retentionen versehen (Abb. 13). Der posteriore Prothesenteil wurde auf ähnliche Weise wie für eine Schienen-Präparation mit posteriorer Ausrichtung auf die Campersche Ebene (Abb. 14) angepasst. In dieser Phase wurden die Inzisalkanten der oberen Frontzähne angemessen verlängert, da sie sowohl phonetisch als auch ästhetisch zu kurz waren. Um die Parametrierung der Erhöhung der Vertikaldimension in dieser Phase zu verbessern, wurde auf Fotos der Patientin aus jungen Jahren zurückgegriffen, die vor Beginn des morpho-funktionalen Verfalls der beiden Kiefer aufgenommen wurden.

Nach der Fertigstellung und Politur der vertikal korrigierten Oberkieferprothese wurde die untere auf die gleiche Weise angepasst (Abb. 15), da die gewählte Ruheposition als Referenz deutlich mehr als zwei Millimeter von der Okklusalposition abwich. Nachdem korrekte empirische und funktionelle Werte der Vertikaldimension wiederhergestellt waren, wurde mit der oberen Schleimhautkonditionierung begonnen, die eine Langzeit-Funktionsabformung erforderte. Hierfür wurde FITT (KERR) verwendet und die Prothese für die Dauer von ca. vier Wochen getragen (Abb. 16, 17, 18, 19). Die Oberkieferprothese konnte im Prämaxillabereich, in dem das fibromuköse Gewebe durch die Ausbildung des KELLY-Syndroms breitflächig betroffen war, deutlich entlastet und entleert werden. 

Dank der vorherigen Massnahmen war es auch möglich, eine weitere Beanspruchung dieses Bereichs zu vermeiden, der bereits seit einiger Zeit übermässigen Belastungen sowohl auf der antero-posterioren, der supero-inferioren als auch der latero-lateralen Achse ausgesetzt war.

Abb. 16 und 17: Prothese nach der Anpassung zur Camperschen Ebene

Abbildung 15 Abbildung 16
Abbildung 17 Abbildung 18
Abbildung 19

Langzeitunterfütterung

Das Unterfütterungsmaterial wurde aufgetragen und auch in dünnfliessender Konsistenz verwendet. Nach etwa einem Monat und mindestens vier klinischen Untersuchungen waren zufriedenstellende Ergebnisse zu beobachten, d.h. eine deutlich erhöhte prothetische Stabilität, das Fehlen irritativer Noxen zu Lasten der Schleimhaut sowie in Form der genutzten Oberkieferprothese eine Funktionsabformung, die darüber hinaus eine therapeutisch sinnvolle interokklusale Position aufwies.

Abbildung 20 Abbildung 21
Abbildung 22 Abbildung 23

Schablonen-Herstellung

Das Funktionsmodell wurde aus synthetischem Superhartgips Typ IV sowie vestibulär als auch lingual Silikonmasken hergestellt (Abb. 20). Nach der Anfertigung der Prothesenbasis aus Kaltpolymerisat wurden die Silikonmasken mit AESTHETIC WAX HARD (CANDULOR) ausgegossen. Für das untere Modell erfolgte aufgrund der Implantate eine Abformung auf traditionelle Weise. Auf dem Funktionsmodell folgte die Herstellung der Bissschablone (Abb. 21). In der kommenden klinischen Site erfolgte die Kieferrelationsbestimmung und zwar nur in horizontaler Ebene, da alle anderen Referenzen wie Okklusalebene, Mittellinie, Eckzahnlinie und Lachlinie bereits zuvor im Rahmen der Festlegung der Vertikaldimension mit Hilfe der aktuell getragenen Prothesen übereinstimmend und korrekt erfasst werden konnten (Abb. 22, 23).

Die Funktionsmodelle wurden mittelwertig mit einem dimensionsstabilen Knetsilikon in den Artikulator orientiert, um die Herstellung der Schablonen für die intraorale Stützstiftregistrierung vornehmen zu können, mit denen die Aufzeichnung des gotischen Bogens erfolgen sollte und für diese Vorbereitung die eingestellte Vertikaldimension unverändert beizubehalten war (Abb. 24). Damit der Registrierstift gegenüber senkrecht wirkenden Kräften während der Registrierung stabilisiert ist, wird auf beiden Seiten des Unterkiefermodells der tiefste Punkt des Kammverlaufs ermittelt und auf der Modellaussenfläche markiert (Abb. 25). Die Montage der Schreibplatte erfolgt im Unterkiefer, indem das Wachs dort erwärmt und sie leicht eingedrückt wird. Vertikalreferenz ist die Nullposition des Artikulator-Stützstifts bei parallelem Aufeinanderliegen des oberen und unteren Wachswalls.

Hierbei ist darauf zu achten, dass beide Wachswälle in Übereinstimmung gebracht werden. Dann wird die obere schmetterlingsförmige Platte zur Aufnahme des Registrierstifts montiert. Hierfür wird der metallische Registrierstift etwas zurückgeschraubt, so dass die Spitze des Registrierstifts übersteht bzw. hervorragt, so kann bereits während der Montage seine Lage durch den Kontaktpunkt auf der unteren Schreibplatte kontrolliert werden. Die Platte wird hierfür ebenfalls erwärmt und vorsichtig auf den oberen Bisswall gedrückt. Der Überprüfungskontakt liegt idealerweise auf der Verbindungslinie zwischen den beiden tiefsten Stellen des unteren seitlichen Kieferkammverlaufs (Abb. 26, 28, 29, 30, 31). Um störungsfreie und visuell kontrollierbare Lateral- und Protrusionsbewegungen im Mund zu ermöglichen, wird der obere Bisswall nun zurückgeschnitten ohne dabei jedoch die Vertikaldimension der Okklusion zu verändern (Abb. 32, 33, 34).

Abbildung 24 Abbildung 25
Abbildung 26 Abbildung 28
Abbildung 29 Abbildung 30
Abbildung 31 Abbildung 32
Abbildung 33 Abbildung 34
Abbildung 36 Abbildung 37
Abbildung 38 Abbildung 39

Stützstiftregistrierung

Vorbereitend für die intraorale Stütztstiftregistrierung werden am Patienten die Scharnierachsenpunkte und die Aussenwandung der Gelenkhöckerchen ermittelt, damit der Gesichtsbogen anatomisch ausgerichtet, die Aufzeichnung der sagittalen Gelenkbahnneigung korrekt durchgeführt werden kann und die Übereinstimmung zwischen der Scharnierachse des Gesichtsbogens und der des Artikulators gewährleistet ist. Hierfür haben sich zwei Methoden etabliert, um die condylare Scharnierachse am Kopf zu ermitteln: Eine statistische und eine palpatorische. 

Die statistische besagt, dass sich die condylare Scharnierachse etwa 13 mm von der Linie zwischen dem temporalen Lidwinkel mit dem Tragus befindet. Für die palpatorische Methode, die hier zur Anwendung kam, wird der Patient aufgefordert, kleine Unterkieferbewegungen auszuführen, um die Kondylenposition mit dem kleinen Finger im Bereich des Gelenkhöckerchens vor dem Tragus ertasten zu können (Abb. 36, 37). Als Gesichtsbogen mit Aufzeichnung der sagittalen Gelenkbahnneigung wurde der DYNAMIC FACEBOW nach GERBER (GERBER CONDYLATOR) verwendet. Es handelt sich hierbei um einen kinematischen Gesichtsbogen, dessen korrekte Position ermittelt wird, indem die Patientin ohne Anstrengung die (maximale) Retrusion einnahm, um die Spitzen mit den Schreibminen mit den auf der Haut angezeichneten Referenzpunkten in Übereinstimmung zu bringen. Hierbei folgt man am besten der "Regel des Uhrzeigersinns", um die Identifikation der Scharnierachse kontrollieren zu können (Abb. 38, 39).

Sagittale Gelenkbahnmessung

Für die Aufzeichnung der sagittalen Gelenkbahnneigung werden die Registrierkarten (Abb. 40) zwischen Schreibmine und Haut gesteckt, so dass die Linien parallel zum Referenzstab des Gesichtsbogens (Okklusionsebenen-Indikator) und damit parallel zur Okklusionsebene liegen. Die hier versorgte Patientin wurde aufgefordert, mit geschlossenem Mund Protrusionsbewegungen durchzuführen. Dieser Vorgang wird grundsätzlich drei Mal wiederholt, um den Mittelwert der sagittalen Gelenkbahnneigung ermitteln zu können. Hierbei ist der sogenannte "funktionelle" Anteil der Aufzeichnung von Bedeutung, der dem wahrscheinlichen Gleiten der Kondylen auf dem Gelenkhöckerchen (Tuberculum articulare) entspricht.

Abbildung 40
Abbildungen 41 Abbildungen 42
Abbildungen 43 Abbildungen 44
Abbildungen 45 Abbildungen 46

Intraorale Stützstiftregistrierung

Im Anschluss daran erfolgte die intraorale Stützstiftregistrierung, deren Aufzeichnung in der Horizontalebene erfolgt (Abb. 41). Mit ihrer Hilfe wird die horizontale Position (sagittal und transversal) des Unterkiefers zum Oberkiefer als "therapeutische" Position ermittelt (Abb. 42, 43). Die Position wird durch den Vergleich zwischen neuromuskulär determinierter Zentrik und dem Scheitelpunkt des gotischen Bogens gefunden. Zuvor wird die Schreibplatte (Unterkiefer) eingefärbt und der Patient, wie hier auch unsere Patientin, aufgefordert, exzentrische Bewegungen – Protrusion, Laterotrusion nach links und rechts – auszuführen. Die genannten Bewegungen zeichnen durch den Stützstift (im Oberkiefer) den sogenannten gotischen Bogen auf die im Unterkiefer positionierte Schreibplatte auf. Die untere Registrierschablone wird entnommen und zwei Linien darauf eingezeichnet: Protrusionslinie und Transversale zur Pfeilspitze. So ist es möglich, den Scheitelpunkt erneut zu identifizieren und mit der neuromuskulären Zentrik zu vergleichen. Hierfür wird die Fläche des gotischen Bogens vor dem erneuten Einsetzen in den Mund wiederum eingefärbt. Entsprechend wurde die Patientin dann aufgefordert, zügig aufeinander folgende kleine Öffnungs- und Schliessbewegungen durchzuführen, um ihren neuromuskulären Schliesspunkt zu ermitteln. 

Die neuromuskuläre Zentrik liegt normalerweise 0,5-1,0 mm vor (anterior) des Scheitelpunkts des gotischen Bogens (Abb. 44). Wenn der Scheitelpunkt des gotischen Bogens und die neuromuskuläre Zentrik wie bei dieser Patientin nicht mehr als 0,5 mm voneinander entfernt liegen, wird eine Plexiglasscheibe am Scheitelpunkt des gotischen Bogens (Abb. 45, 46) fixiert. Ist der Abstand grösser als 0,5 mm, wird eine Zwischenposition ermittelt, die als "therapeutisch" bezeichnet wird, und zwischen dem Scheitelpunkt des gotischen Bogens und der neuromuskulären Zentrik liegt. Diese Position muss vom Patienten jedoch als komfortabel empfunden werden.

Abschliessend wird diese Position verschlüsselt, in diesem Fall mit schnell abbindendem Artikulatorgips, der zur Applikation zuvor in eine Spritze gefüllt wurde (Abb. 47). Sind die Registrierschablonen verschlüsselt, erfolgt der Transfer in den Artikulator (Abb. 48). Zur Übertragung der Modelle in den Artikulator werden die Schreibminen durch metallische Referenzstäbe am GERBER-Gesichtsbogen ausgetauscht. Bei der Positionierung ihrer Spitzen in die Scharnierachse des Artikulators ist zu beachten, dass die metallischen Referenzstäbe immer parallel zur Arbeitsebene stehen. Bei der Aushärtung eines möglichst niedrig expandierenden Gipses und nach dem Entfernen des Wachses von den beiden Metallplatten (Stützstift- und Schreibplatte) wurden im Oberkiefer die vorhandenen Silikonschlüssel dazu verwendet, den für die Stützstiftregistrierung entfernten Teil wiederherzustellen und ihn mit dem unteren Wachswall in Kontakt zu bringen (Abb. 49, 50).

Abbildungen 47 Abbildungen 48
Abbildungen 49 Abbildungen 50
Abbildungen 51 Abbildungen 52
Abbildungen 53 Abbildungen 54
Abbildungen 55 Abbildungen 57
Abbildungen 58 Abbildungen 56
Abbildungen 59 Abbildungen 60

Modellanalyse

Im Labor wurde anschliessend die "Blaupause" in Form der Modellanalyse für die Wachsaufstellung erarbeitet. Hierfür wird auf beiden Seiten der Kieferkammverlauf mit Hilfe des Profilzirkels auf die Aussenfläche des Unterkiefermodells übertragen (Abb. 51, 52). Es werden die 4er und 6er Positionen markiert und ebenfalls auf die Modellaussenfläche bzw. den Modellrand übertragen (Abb. 53, 54, 55). Die Mitte der Papilla incisiva wird für die CPC-Linie ermittelt, die Linie auf den Modellrand verlängert (Abb. 57, 58). Es folgt die Prüfung des bilateralen Kammverlaufs, um Parallelität oder Divergenz festzustellen. Ebenso wird die Stopplinie festgelegt. Hinter ihr ist es nach GERBER zur Vermeidung des Proglissements während des sagittalen Gleitens nach frontal und caudal erforderlich, keine Kaueinheit in Okklusion mehr aufzustellen, was auch in unserem Fall der Implantaten wegen zu einem frühzeitigen Verschleiss des Retentionsteils führen würde.

Im nächsten Schritt der Modellanalyse wird eingeschätzt, ob ein Normal- oder ein Kreuzbiss vorliegt und überprüft, ob der Kieferkamm einen Distalstand oder einen Lingualstand aufweist (Abb. 56). Sicherlich erfasst ein erfahrenes Auge die zu lösende Situation mit erfahrenem Blick in wenigen Minuten und wenigen Arbeitsschritten, um zu erkennen, wie und wo Front- und Seitenzähne aufzustellen sind. Allerdings ist es sinnvoll, so viele Informationen wie möglich planvoll zu erfassen und zu dokumentieren. So ist es möglich, die Konstruktion des Zahnersatzes während der Aufstellungsphase (Abb. 59, 60) trotz des etwas höheren Zeitaufwands besser vorhersehbar zu machen und Fehler zu vermeiden.

Abb. 60: Schwarze Linien = Sagittaler Korridor des Kieferkamms / Grüne Linien = Referenzen für die Campersche Ebene / Vertikale blaue Linie = tiefste Stelle des residualen Kieferkamms / Schräge blaue Linie = Referenzlinie auf 25° / Rote Linie = Stopplinie / Roter Kreis = Stopplinie überschritten, da die rote Linie über die 25° hinausgeht, die von der schrägen blauen Linie vorgegeben werden

Wachsaufstellung

Im Anschluss an die Modellanalyse erfolgte die Zahnaufstellung nach der von GERBER formulierten "Condylartheorie". Auch und gerade für die hier zu versorgende Patientin wurden dem GERBER-Konzept konsequent folgend die Seitenzähne in Zahn-zu-Zahn-Okklusion gewählt. 

Bei der vorausgegangenen Funktionalisierung der bisherigen Prothese wurde auf der provisorischen Prothese ein identischer Wall konstruiert. Daher konnte der Linienführung des Wachwalls bei der Zahnaufstellung gefolgt werden. Hierfür wurde im Labor ein praktisches Hilfsmittel für die Aufstellung oberer Inzisiven für die "Wachswall-Aufstellung" entwickelt, mit dem das Wachs gezielt lokal erwärmt und zügig der künstliche Schneidezahn aufgestellt wird (Abb. 61, 62, 62A). Dieses Vorgehen wurde bis zu den Eckzähnen wiederholt (Abb. 63). Anschliessend wurden die unteren Frontzähne, dann die Eckzähne in übereinanderstehender Ausrichtung aufgestellt (Abb. 63A).

Abbildungen 61 Abbildungen 62
Abbildungen 62A Abbildungen 63
Abbildungen 63A

Die Seitenzahnaufstellung erfolgte wie bemerkt mit Seitenzähnen nach dem GERBER-Konzept in Zahn-zu-Zahn-Beziehung, die lingualisiert nach dem Mörser-Pistill-Prinzip im BC-Kontaktschema okkludieren. Diesem Ansatz liegt nach der Condylartheorie zugrunde, dass die Okklusalflächen das umgekehrte Spiegelbild der Condylus-Fossa-Beziehung wiedergeben. Ausnahme sind die ersten Prämolaren, deren untere Bukkalhöcker in den oberen Fossae okkludieren wie dies bei den verwendeten CONDYLOFORM Seitenzähnen (CANDULOR) der Fall ist. Dem oberen Wachswall folgend wurden die Seitenzähne aufgestellt, beginnend mit dem ersten unteren Prämolaren mit umgekehrtem Mörser-Pistill-Prinzip, die etwas oberhalb der Okklusionsebene aufgestellt werden. Bei der GERBER-Methode wird der Aufstellung dieser beiden Zahneinheiten eine besondere Bedeutung beigemessen. Da die Prämolaren den Eckzähnen am nächsten liegen, haben die unteren tragenden Bukkalhöcker (umgekehrtes Mörser-Pistill-Prinzip) nur einen punktförmigen Kontakt in der oberen Fossa. Dies fördert eine stärkere Schneidwirkung der Eckzähne. Da die ersten Prämolaren so aufgestellt werden, dass die Kräfte in einem weiter zurückverlegten zentralen Bereich des Kieferkamms verlagert werden, der für die Kaubelastung geeigneter ist, wird die Prothesenstabilität erhöht. Dies wäre nicht möglich, würden die Eckzähne eine Reiss- und keine Schneidwirkung wie die PHYSIOSTAR Frontzähne (CANDULOR) erzielen.

Abbildungen 64 Abbildungen 65
Abbildungen 66 Abbildungen 67
Abbildungen 68 Abbildungen 69

Linke Seitenzahnreihe

Weiterhin dem oberen Wall folgend und darauf bedacht, ausschliesslich die Palatinalhöcker als Stützhöcker wirksam werden zu lassen, wurden die zweiten Prämolaren und die unteren Molaren aufgestellt. Dabei ist nach dem GERBER-Konzept grundsätzlich darauf zu achten, die Kraft jeweils in senkrechter Richtung zum residualen Kieferkamm zu lenken. Praktisch folgt die Aufstellung dem Kieferkammkorridor bzw. der Statiklinie, die in schwarzer Linie auf dem Modellrand markiert wurde. Für eine präzise und zuverlässige Kontrolle ist der STATIK POINTER (CANDULOR) geeignet (Abb. 64, 65, 66, 67), dessen Lichtpunkt die okklusale Kraftrichtung des Zahns auf die Statiklinie und damit auf den Kieferkamm richtet und dadurch schnell und eindeutig überprüfbar für das Erreichen der autonomen Kaustabilität verwendet wird. Es folgt die Aufstellung der oberen Molaren. Nach Lage der Stopplinie und unter Berücksichtigung der Implantatabstützung der unteren Overdenture erschien es sinnvoll und funktional angemessen, für diesen Fall auf der linken Seite auf einen oberen ersten Molaren zu verzichten und einen weiteren zweiten oberen Prämolaren aufzustellen (Abb. 68, 69). Dies deshalb, um die Kaukraft in Parallelität zur roten Stoppline als Begrenzungslinie für den beginnenden ansteigenden Unterkieferast und damit zur Proglissementvermeidung statisch stabil auf den unteren Kieferkamm zu lenken. Dies gilt in der Regel für den Unterkiefer, es ist aber – zumal bei Vorliegen eines KELLY-Syndroms – nicht auszuschliessen, dass es auch im Oberkiefer angemessen sein kann. 

Wie im beschriebenen Fall dargestellt kann es erforderlich werden, dass die Aufstellung auf einer Seite unterschiedlich zur anderen erfolgt, die der gleichen Grundregel – autonome Kaustabilität - in Varianten folgen.

Abb. 69: Linguale Okklusionsansicht

Rechte Seitenzahnreihe

So wäre es bei der Aufstellung des unteren rechten ersten Prämolaren in der Zentrik erforderlich gewesen, deutlich weiter in lingualer Position aufzustellen, um die Kraft auf den Antagonisten (Zahn 14) auf die Kammmitte zu lenken (Abb. 70, 71, 72, 73). Dies hätte jedoch dessen Wangenkontakt in Frage gestellt und verhindert, die neutrale, kaustabile Zone zu treffen. Zähne auf atrophierten und inkongruenten Kieferkämmen aufzustellen bedeutet oft, keinen ausreichenden Kontakt mit der Wange zu haben und den Wirkungsbereich der Zunge einzuengen.

Abbildungen 70 Abbildungen 71
Abbildungen 72 Abbildungen 73

Unter diesen Bedingungen entsteht ein Freiraum zwischen der Wange auf einer Seite und den künstlichen Zähnen sowie mit der Aussenfläche des Prothesenkörpers. Zum einen sammeln sich in diesem Bereich dann Nahrungspartikel an und es wird für die Wange schwierig, sie in den Kaubereich bzw. Kauschlauch zurückzubringen bzw. zu transportieren. Der Freiraum zwischen Wange und Zähnen verhindert auch, dass der Wangenmuskel (M. buccinator) die von der Zunge nach aussen ausgeübte Kraft neutralisiert. Die neutrale Zone der natürlichen Zahnbögen entsteht unter dem Einfluss genetischer Faktoren und der Einwirkung von Kräften, die von den Muskeln der Zunge, der Lippen und der Wangen beim Zahndurchbruch ausgeübt werden. Die Muskelarbeit hält ein Leben lang an und setzt sich auch nach dem Verlust der Zähne bzw. Kaueinheiten fort. Wenn letztere verloren gehen, entsteht in der Mundhöhle ein Freiraum, der sogenannte "intermaxilläre Raum", in dessen Bereich sich die "neutrale Zone" befindet. Dieser Bereich kann definiert werden als der Bereich, in dem während der Kaufunktion die nach aussen wirkenden Kräfte der Zunge durch die nach innen wirkenden Kräfte der Wangen und Lippen neutralisiert werden. Diese Kräfte üben ihre Wirkung nicht nur beim Kauen, sondern auch beim Sprechen und Schlucken aus.

Abbildung 74 Abbildung 75
Abbildung 76 Abbildung 77
Abbildung 78 Abbildung 79
Abbildung 80

Daher ist es sehr wichtig, die künstlichen Zähne und die Prothesenaussenflächen innerhalb der neutralen Zone aufzustellen bzw. zu dimensionieren, da das Ignorieren dieses Sachverhalts die Prothese kontinuierlichen Horizontalschüben aussetzen würde, die für Alveolarkämme wie bei dieser Patientin aufgrund der vorherigen insuffizienten Versorgung weitere Schäden hätte verursachen können. Um einen statisch korrekt liegenden okklusalen Kontakt sowie einen myodynamisch ausreichenden Wangenkontakt zu erzielen, haben wir uns entschlossen, die üblichen Aufstellschemata zu verlassen und einen oberen rechten 5er anstelle des unteren rechten 4ers aufzustellen (Abb. 74, 75, 76, 77). Dies mit dem Ziel, statisch stabile Verhältnisse für beide Seiten aufrecht zu erhalten. Darüber hinaus erforderte der Anstieg des Unterkieferastes auf dieser Kieferseite den Verzicht auf den ersten Prämolaren (Abb. 78, 79, 80). Die Aufstellung auf dieser Kieferseite erfolgte statisch folgerichtig im Kreuzbiss, d.h. die unteren Bukkalhöcker wurden muldenförmig für die oberen Bukkalhöcker als Stützhöcker eingeschliffen.

Abb. 77: Linguale Okklusionsansicht

Konstruktion der Verankerung der unteren Overdenture (ZTM Salvatore Chimenz)

Nach der ästhetischen Einprobe geht man zur Retentionsphase, an die Anpassung der Räume für den unteren Prothesenteil über. Die Wahl der Okklusionsebene für die autonome Kaustabilität wurde dargelegt und deshalb haben wir ein implantatgestütztes, schleimhautgelagertes Retentionssystem gewählt. Die umgesetzte Lösung ist die einfachste in Bezug auf eine sichere Retention, vorteilhaft in Bezug auf die Stabilität und aus psycho-physischer Sicht akzeptabel für die Patientin.

Aufgrund dieses Prinzips und der klinischen Situation dürfen die Attachments keine sagittalen Gleitbewegungen, das sogenannte "Proglissement" des Prothesenkörpers kompensieren, wie es mit einer Belastung auf einer schrägen Ebene durch vorzeitigen Verschleiss des Retentionsteils, der Kappen und mit dem Risiko eines Prothesenversagens geschehen wäre (Abb. 80A). Zwei Pfosten aus Titan mit patientenangepasstem transmukosalem Verlauf (Abb. 81) in Form des RHEIN 83 mit Ot Equator-Abutment wurden vorbereitet, auf dem ein passiver Steg mit SEEGER-System angefertigt wurde.

Abbildung 80A
Abbildung 81
Abbildung 82 Abbildung 83
Abbildung 84 Abbildung 85
Abbildung 86

Für die Stegkonstruktion wurde die Einschubrichtung ermittelt (Abb. 82, 83), die in unserem Fall mit der Okklusionsebene zusammenfiel. Diese Bedingung ist erforderlich, damit die Abutments horizontal arbeiten und ein vorzeitiger Verschleiss des retentiven Teils vermieden wird. Nach Anfertigung von zwei Silikonmasken für die linguale und die vestibuläre Seite zur Bestimmung der restlichen Freiräume (Abb. 84, 85), in denen der Steg und das verstärkende Gegenstück einzusetzen waren, wurden die polymerisierbaren SEEGER-Behälter (Abb. 86) positioniert und mit autopolymerisierendem Modellierkunststoff verbunden, damit der Steg in Form gebracht werden konnte. Nach dem Aushärten wurde der Steg getrennt und die erhaltenen Segmente mit einer kleinen Acrylatmenge verbunden, um die maximale Retraktionskontrolle zu erhalten.

Mit Hilfe eines Parallelometers wurden die polymerisierbaren Ot Cap Normo Attachments mit Aussengewinde (Abb. 87, 88) montiert, die im Vergleich zu anderen Systemen eine Flachkopfkugel und eine elastische Kappe mit kugelförmigem Innerem aufweisen. Dies ermöglicht beim Kauen ein Nachgeben in vertikaler Richtung, was in einigen Fällen mit dem Nachgeben der Weichgewebe harmoniert; auch dank der Empfindlichkeit der Nylonkappen, die sich in feuchter Umgebung adäquat verhalten.

Das Profil wurde in Wachs modelliert (Abb. 89). Mit den klassischen und traditionellen Methoden hätten wir den Steg separat giessen, anpassen, polieren und dann die Überkonstruktion darauf aufbauen müssen, aber durch geeignete Massnahmen ist es möglich, das Gegenstück bereits in dieser Phase zu konstruieren und in Metall umzusetzen.

Durch das Anbringen einer Schicht Teflonband entstand ein Hohlraum (Abb. 90), der dazu diente, das Gegenstück aufgrund der erwünschten Elastizität nicht mit dem Steg in Kontakt kommen zu lassen (Abb. 91, 92, 93). Dieses Phänomen nimmt nach dem Polieren des Stegs auf kontrollierte Weise zu (Abb. 94, 95). Die Erfahrung führt zu der Überzeugung, dass man in vielen Fällen durch minimale Anpassungen Stabilität erreicht und das zu relativ niedrigen Kosten (Abb. 96).

Abbildung 87 Abbildung 88
Abbildung 89 Abbildung 90
Abbildung 91 Abbildung 92
Abbildung 93 Abbildung 94
Abbildung 95 Abbildung 96
Abbildung 97 Abbildung 98
Abbildung 99 Abbildung 100

Kunststoff-Fertigstellung und Polymerisation (ZT Vittorio Capezzuto)

Für die Fertigstellung der Prothesen in Kunststoff haben wir das Einspritzsystem mit Hilfe der Muffel ALU BIG (TRANSFORMER) genutzt. Vorher wurden die Prothesen jedoch farblich mit den AESTHETIC COLORS (CANDULOR) charakterisiert (Abb. 97, 98, 99). Hierbei erfolgten Zwischenpolymerisationen, um den ersten Teil des PMMA ausreichend zu fixieren und die Schrumpfung sowie etwaige Bewegungen während der nachfolgenden Injektionsphase besser kontrollieren zu können. Der kaltpolymerisierende AESTHETIC BLUE Prothesenkunststoff in FARBE 34 wurde mit einer Spritze injiziert (Abb. 100) und für 30 min bei 60 °C in einem Polymerisationsgerät ausgehärtet. Während der Aushärtungsphase erreichen Kaltpolymerisate eine Temperatur von mehr als 100 °C, so dass das Wasser mit 60 °C währenddessen zur Kühlung verwendet wird, um nach dem Aushärten keine zu starke Schrumpfung befürchten zu müssen.

Abb. 98 und 99: Charakterisierung des Lippenschilds mit AESTHETIC COLORS - hellere PMMA Farbe 53 für anhaftenden Bereich der Schleimhaut, PMMA mit dunklerer roter Farbe 55 im stärker vaskularisierten Bereich, akzentuierte Farbgebung mit AESTHETIC INTENSIVE COLORS; alle Charakterisierungsmassen müssen jedoch mit dem Basis-PMMA in Farbe 34 vorgemischt werden

Nach dem Ausbetten und vor der Trennung von den Modellen werden die in Kunststoff (PMMA) fertiggestellten Prothesen in den Artikulator mit den Referenzen montiert, mit denen zuvor die Modelle orientiert, der Artikulator eingestellt war, um im Rahmen des Reokkludierens die okklusalen Kontakte erneut zu überprüfen (Abb. 101, 102). Es wurde festgestellt, dass die vertikale Höhe unverändert geblieben ist. Es wird selektiv eingeschliffen (Abb. 103, 104), um kleine Abweichungen auszugleichen, die mit dem Einsetzen in die Muffel verbunden waren.

Auch bei eingespritztem PMMA kann es unter anderem zu einer minimalen Verschiebung kommen. Daher wurden die Kauflächen äquilibriert, um eine breite und lange Zentrik zu erhalten, die für die Antagonistenkontakte unbedingt erforderlich ist. Geprüft wurden Laterotrusion, Protrusion (Abb. 105, 106, 107) und Retrusion; letztere kann mit dem ARTIKULATOR CA 3.0 (CANDULOR) simuliert werden (Abb. 108, 109). 

Sobald alles innerhalb der funktionellen klinischen Parameter reokkludiert worden war, wurden die Prothesen von den Modellen getrennt.

Abbildung 101 Abbildung 102
Abbildung 103 Abbildung 104
Abbildung 105 Abbildung 106
Abbildung 107 Abbildung 108
Abbildung 109
Abbildung 110 Abbildung 111
Abbildung 112

Endbearbeitung und Polieren der Prothesen

Die vorherige Wandstärkenkontrolle und die eingelegte farbliche Charakterisierung ermöglichten anhand der detaillierten Kolorierungsschemata (CANDULOR) ein hohes Mass an Vorhersagbarkeit und einen geringeren Aufwand an technischen Korrekturen. Die Prothesen wurden dann für 12 h in Wasser gelagert, erst danach wurde ausgearbeitet und mit dem Handstück poliert. Die Politur erfolgte mit Bimsstein und der vom Prothesenkunststoff-Hersteller empfohlenen Polierpaste KMG (CANDULOR) - (Abb. 110, 111, 112).

Einarbeiten der Abutments, Finishing

Nach Abschluss der Prothesenfertigstellung wurde der Steg durch Positionieren der endgültigen SEEGER mit den Ot Equator-Abutments verbunden (Abb. 113). Dieses System ist in der Tat so konzipiert, dass die Anfertigung von Stegen mit passiver Verbindung zu Tertiärelementen ermöglicht wird. Die obere Totalprothese und die untere Overdenture wurden dem Zahnarzt geliefert. Dort wurde die Passung der Prothesenbasen in situ auf der Schleimhaut mittels COLTENE PSI überprüft und die Okklusion mit Hilfe von Okklusionsfolien erneut kontrolliert (Abb. 114). Die Patientin war über ihre neuen Prothesen glücklich und zufrieden und drückte dem Behandlungsteam diese Freude und ihre aufrichtige Anerkennung darüber aus, eine einwandfreie Kaufunktion sowie ihr ursprüngliches Aussehen wiedererlangt zu haben (Abb. 115, 116 und 117 links und rechts), was als ideeller Lohn vom Prothetik-Team sehr gerne aufgenommen wurde.

Abb. 115: Links - Patientin zur Zeit ihrer Hochzeit; Rechts - Zum Vergleich mit ihrer neuen (totalprothetischen) Versorgung
Abb. 116 und 117: Die Versorgung in situ

Abbildung 113 Abbildung 114
Abbildung 115 Abbildung 116
Abbildung 117

Fazit

Die Versorgung mit insuffizienten und ästhetisch nachteiligen Prothesen aus teilweise "veralteten" Materialien, das Fehlen regelmässiger Kontrollen sowie die zunehmende Lebenserwartung sind Faktoren, die dazu führen, dass wir uns in immer grösserem Umfang mit zunehmend komplexeren Lösungen auseinanderzusetzen haben. Planung, sorgfältige Analyse, Auswahl geeigneter Materialien und die enge Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Zahntechniker sind grundlegende Voraussetzungen für die Realisierung langlebiger abnehmbarer schleimhautgetragener und auch implantatgestützter abnehmbarer Versorgungen. In dem hier beschriebenen Fall waren die genannten Faktoren relevant. Unsere Erfahrung und unser daraus resultierendes Fazit ist, dass das Wohlergehen des Patienten an erster Stelle steht. Hierfür muss nicht um jeden Preis nach aufwändigen, komplizierten und ausgefeilten oder von der Mode des jeweiligen Moments bestimmten Lösungen gesucht werden. Auch (relativ) einfache Lösungen bleiben, wenn sie gewissenhaft durchgeführt werden, auf Dauer beständig, funktionell und ästhetisch ansprechend.

Zahnärztliche Verantwortung: Dr. Gennaro Galasso, Dentalpraxis Chirurgodent, Cassino (FR)
Zahntechnische Umsetzung: ZTM Salvatore Chimenz, Zahntechnisches Labor, Scauri (LT)

Wer ist…?

Nach Abschluss der Berufsschule für Zahntechniker in Cassino (Provinz Frosinone, Italien) ist er seit 1994 Inhaber eines eigenen Labors und beschäftigte sich seit jeher vorwiegend mit Vollprothesen. 

Seine Erfahrungen sammelte er nach der Philosophie von Prof. Dr. A. Gerber und besuchte zahlreiche Fortbildungskurse in ganz Italien und in der Schweiz (Zürich).

Im Jahr 2015 arbeitete er mit dem Verband ANTLO Kampanien an dem Projekt "Girovagantlo" und qualifizierte sich beim ersten Trasformer-Wettbewerb auf dem 2. Platz mit der "Vollprothese mit Trasformer-Technik".

Er ist Mitautor des Buches "Aspetti clinico-tecnici nella protesi combinata" vom Verlag Teamwork Media Srl.

Seit 2017 ist er für CANDULOR als Fachreferent in ganz Italien tätig - mit Schulungen und Workshops zur Methodik von Prof. Dr. A. Gerber. Im selben Jahr arbeitete er als externer Tutor im Institut für Zahntechniker Alfonso Casanova in Neapel an dem Projekt "Donare un sorriso a chi soffre" ("Den Leidenden ein Lächeln schenken") und erreichte Platz 5 beim internationalen Wettbewerb "Create the best Candulor". 

Gegenwärtig arbeitet er in seinem zahntechnischen Labor in Sparanise (Provinz Caserta, Italien).